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Stimmen im Museum

Im Projekt «Perspektiven/Plurivoice» treten Menschen aus Basel in einen Dialog mit Objekten und Besucher*innen des MKB. Podcasterin Elisa da Costa erzählt im Interview mehr darüber.

Frau im blumenbedruckten Kleid mit schwarzem Haar steht in einem Ausstellungsraum, wo im Hintergrund dunkle Bilder hängen.

Elisa da Costa bringt neue Stimmen ins Museum

MKB: Wie kamst du auf die Idee zu diesem Projekt?
Elisa da Costa: Bei einer Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung «Deal with it» in der Universitätsbibliothek, die ich kuratierte, habe ich einige Ideen und Gedanken mit MKB-Direktorin Anna Schmid ausgetauscht. Aufgrund meines Podcasts «Blackfluencers» – wo ich afrodiasporische Menschen aus diversen Branchen und Bildungsfelder in Basel interviewe – lud sie mich dazu ein, ein Audio- oder Podcast-Projekt für das MKB zu entwickeln. Da «Blackfluencers» mir nicht das richtige Format für das Museum erschien, erschuf ich Plurivoice.

Was waren deine Überlegungen im Zusammenhang mit dem MKB?
Mit dem Museum der Kulturen Basel kam ich schon sehr früh in meinem Masterstudium in Afrikastudien in Kontakt. Ich fand den Diskurs rund um Provenienz und Restitution, um die Zukunft der Museen und um neue Wege der Kuration sehr spannend. Sich in diesem Raum neu «austoben» zu dürfen, war eine inspirierende Herausforderung.
Zudem fiel mir beim Museumsbesuch auf, dass Menschen sehr gerne über die Ausstellungen reden. Ich fand es schade, dass ich solche Gespräche nur immer heimlich aufschnappen konnte. Nie konnte ich Besucher*innen und deren Gedanken im Museum anhören. So entstand die erste Idee zu Plurivoice.

Wer sind die Menschen, die mitmachten, und wie hast du sie gefunden?
Zu Beginn habe ich sehr breit gefächert gesucht, in meinem Netzwerk rumgefragt, innerhalb der Universität, im Freundeskreis, bei mir bekannten Organisationen. Es war mir aber wichtig, nicht nur Akademiker*innen vom Fach zu haben. Ich wollte auch eher jüngere Stimmen oder Menschen, die hier in der Schweiz nicht in der Museumslandschaft tätig sind. Da dem Projekt zeitliche und finanzielle Grenzen gesetzt waren, konnte ich leider nicht mit mehr als zehn Personen sprechen.

Wie verlief die Arbeit am Projekt?
Ich wollte, dass die Personen so frei wie möglich sind in ihrer Wahl der Objekte. Ich habe einfach zwei Ausstellungen zur Auswahl gegeben: «Memory» und «Alles lebt». Die Eingeladenen wählten dann, in welche Ausstellungen sie zuerst gehen wollten. Sie hatten ca. 15 Minuten Zeit, um sich die Ausstellung kurz anzuschauen und ihre Wahl zu treffen. Dann begannen wir unsere Gespräche.

Was erwartet die Museumsbesucher*innen?
Interessante Gedanken und Fragen von tollen Menschen aus unterschiedlichsten beruflichen, schulischen und kulturellen Hintergründen. Ich hoffe, als Projektinitiantin, dass die Besucher*innen des MKB neue Perspektiven, einen neuen Blick auf die Ausstellungen gewinnen können. Und wer weiss, vielleicht lernen sie etwas Neues.

Dein Projekt wird Bestandteil von den genannten Ausstellungen. Wie ist das für dich?
Es ist aufregend. Es macht mich aber auch nervös. Ich weiss ja nicht, wie die Besucher*innen auf diesen Versuch reagieren. Finden sie es cool oder eher langweilig? Wird es genutzt und gewünscht? Möchten einige vielleicht sogar mitmachen? Gibt es eine Plurivoice-Serie? Fragen über Fragen. Im Moment weiss ich nur eines: Es bleibt spannend!

In deinem Projekt geht es um Perspektiven. Wie hat sich deine Perspektive geändert?
Ich habe mich während des ganzen Projekts gefragt: Wer fehlt in diesem Raum? Wen höre ich nicht? Auch nach dem ersten Versuch glaube ich, nur einen Bruchteil der Mehrstimmigkeit in einem Museum beigetragen zu haben. Es werden nie alle hörbar sein. Aber vielleicht ist diese Audio-Intervention ein Denkanstoss für die Museen von Morgen. Zumindest hoffe ich, dass die Aktion einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Eine Person mit kurzem Haar und Brille steht leicht gebückt vor einer Wand, die einem riesigen Setzkasten ähnelt. In den weissen, unregelmässig grossen Kästchen stehen und liegen verschiedenste Objekte, erkennbar sind Figuren, Steine, Teller.

Caro Colijn zeigt sich begeistert vom grossen «Setzkasten» in der Ausstellung «Memory»

 

«Das Museum wird lebendiger»

Caro Colijn ist eine der «Plurivoices». Sie fand die Idee von Elisa super, dass im Museum nicht nur «offizielle» Stimmen zu hören sind, sondern auch ganz persönliche: «Wenn verschiedene Menschen erzählen, was sie mit bestimmten Themen oder Objekten verbinden, wird das Museum irgendwie nahbarer und lebendiger.»

Caro hat besonders der überdimensionale Setzkasten in der Ausstellung «Memory» angesprochen. Er sei so vielfältig, erzähle viele unterschiedliche Geschichten und habe sie gleichzeitig an den kleinen Setzkasten aus ihrer Kindheit erinnert. «Diese Mischung aus persönlicher Erinnerung und neuen Perspektiven fand ich spannend.»

Was nimmt Caro mit? «Für mich war es sehr schön zu erleben, wie wichtig es ist, dass in einem Museum wie dem Museum der Kulturen nicht nur Objekte, sondern auch die Stimmen der Menschen Raum bekommen. Dass Geschichten, Interpretationen und persönliche Verbindungen auditiv erfahrbar sind, gibt Raum für emotionale Nähe und Identifikation.»

Eine Frau mit langen schwarzen Haaren steht vor einer Wand mit Plakaten. Auf den Plakaten zu lesen sind Slogans wie: Reforma Agraria, 1° Maio, Maypim Callanku.

Janusha Kenganathan studiert Plakate aus den 1980er- und 1990er-Jahren aus Lateinamerika

 

«Wertvolle Erfahrung für mich»

Für Janusha Kenganathan, eine weitere «Plurivoice», ist das Museum der Kulturen Basel ein Ort, auf den sie schon immer neugierig war. Sie ist Elisa dankbar, dass sie einen «diasporischen Blick auf die Ausstellungen» werfen konnte, der sonst nicht üblich sei. 

Janusha war und ist fasziniert vom Nagakal, dem Schlangenstein in der Ausstellung «Alles lebt». «Weil er aus unserer einheimischen tamilischen Kultur stammt.»

Und was nimmt sie mit? «Für mich war es spannend, mir meiner eigenen Wahrnehmung, meiner eigenen Perspektive auf die Ausstellungen und auf die Objekte bewusst zu werden, und auch die Möglichkeit zu haben, mich zu äussern. Das war eine wertvolle Erfahrung für mich.»

 

Das Projekt wird anlässlich eines dialogischen Rundgangs mit Elisa da Costa und Teilnehmenden von Plurivoice der Öffentlichkeit vorgestellt. Er findet statt am Sonntag, 4. Mai, von 15 bis 16.30 Uhr.