Ein Komet zu Weihnachten
Das Museum der Kulturen Basel hat dem Department of Biomedical Engineering der Universität Basel Hand geboten für eine Weihnachts- und Neujahrskarte, die altes Kunsthandwerk und neueste Forschungstechnologie miteinander verbindet.
Manche der schlimmsten menschlichen Katastrophen liessen sich abwenden, versichert der Physiker Stephen Hawking in Pink Floyds Lied «Keep Talking», wenn wir nicht aufhören, miteinander zu reden. Diese Botschaft ist besonders hoffnungsvoll in Zeiten, in denen Trennendes sich allerorten in den Vordergrund zu drängen scheint. Deshalb haben sich das Museum der Kulturen Basel (MKB) und das Department of Biomedical Engineering (DBE) dazu entschlossen, einmal etwas völlig Neues zu versuchen und eine Weihnachts- und Neujahrskarte zu produzieren, die das Department an seinen Bezugskreis verschickt.
1 Kugelstern
Zunächst haben wir gemeinsam nach einem geeigneten Objekt gesucht. Die Wahl fiel auf einen weihnachtlichen Kugelstern aus der Sammlung des MKB mit dem schönen Namen «Komet».
Er wurde in der weltberühmten Handwerkstradition des Gläsernen Lauschaer Christbaumschmucks geschaffen, die seit 2021 zum Immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Die leuchtenden Farben des Sterns wurden mit dem 1856 durch Justus von Liebig beschriebenen Nassversilberungsverfahren von innen auf das hauchdünne Glas aufgebracht. In Lauscha hatte man bereits 1867 damit begonnen, diese seinerzeit hochmoderne Methode für die Herstellung von Weihnachtsschmuck zu verwenden, also altes Handwerk und neueste Wissenschaft miteinander zu verbinden.
2000 Bilder
Diese Verbindung haben wir noch einmal erneuert, indem wir den «Kometen» auf eine kleine Reise nach Allschwil geschickt haben, genauer gesagt zur Core Facility Micro- and Nanotomography am DBE. Dort wurden von ihm in einem hochauflösenden Zeiss xradia 610 Röntgenscanner insgesamt 2000 Schnittbilder aufgenommen und zu einem dreidimensionalen Datensatz zusammengesetzt. Ein Bildpunkt der Originalaufnahme hatte dabei eine Grösse von nur 0.025 Millimetern. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist normalerweise zwei- bis dreimal so dick!
In dem 7.5 Gigabyte grossen Scan ist das eindrucksvolle Farbenspiel des «Kometen» unsichtbar, weil das Licht von den viel kürzeren Wellen der X-Strahlen nicht erfasst wird. Dafür tritt jedes noch so kleine äussere und innere Detail plastisch hervor, zum Beispiel die Pfeifenreiniger, die im Zickzack um die Kugel geführt und mit gedrehtem Draht fixiert sind.
Gerade dadurch also, dass der Scan die Farben verschwinden lässt, kann etwas anderes umso deutlicher sichtbar und das scheinbar so vertraute Objekt ganz neu erfahren werden. Die Kombination von alter thüringisch-weihnachtlicher Handwerkskunst und allerneuester Forschungstechnologie setzt unsere vertrauten Kategorien und Deutungsmuster ausser Kraft, führt uns von den allzu ausgetretenen Pfaden herunter in neues Land und lässt uns ganz frisch miteinander reden.
Das DBE dankt dem MKB für die Zusammenarbeit und freut sich, allen seinen vielen Bezugspersonen in der Schweiz und anderswo mit einer ganz besonderen Karte frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr wünschen zu können.
Den Kometen ausfindig gemacht hat Florence Roth, Co-Kuratorin der Abteilung Europa am MKB. Die Transporte waren Aufgabe von Martino Meier, Leiter Sammlungsverwaltung am MKB. Die Scans wurden durchgeführt von Dr. Georg Schulz, Leiter der Core Facility Micro- and Nanotomography am DBE, für Idee und Bildbearbeitung war der Autor dieses Blog-Beitrags zuständig.