Tschäggättä checken
Die Larven der Basler Fasnacht 2024 haben ausgedient. Die über hundertjährigen Walliser Masken aus der Europasammlung des MKB werden momentan für die nächste Ausstellung schön herausgeputzt.
Ganz vorsichtig streicht Alice Gerber mit einem winzigen Schwämmchen übers ausgeprägte Kinn der Maske. Immer wieder schaut sie auf das helle Latexschwämmchen. Sie prüft, ob nur Staub hängen bleibt und ja keine Farbe. Alles bestens.
Die linke Hälfte des Kinns ist gesäubert. Die rechte noch staubig. Der Unterschied ist deutlich, das erkennt auch ein nicht geschultes Auge.
Gleich geht Gerber danach bei der Mundpartie vor. Sie reinigt zuerst die linke Hälfte, dann die rechte. Diese Zone aus Arvenholz ist auch eher einfach zu «entstauben». Wobei die Zähne knifflig sein können.
Je weiter nach oben sich die Restauratorin vorarbeitet, desto schwieriger wird es. Insbesondere bei der Stirne, wo die Haare im Weg sind.
Bei letzteren geht es ebenfalls an den Staub. Mit einem weichen Pinsel, damit die Locken – aus Schaf- oder Ziegenfellen, und manchmal gar ganzen Tierbeinen – nicht verfilzen. Auch hier saugt Gerber den Staub sofort ab.
Nicht aber bevor sie die Haut der haarigen Beine zum Beispiel geprüft hat. Ist die Haut brüchig, muss sie anders vorgehen. Doch sie sieht, dass diese Haut in gutem Zustand ist.
Für die konservatorischen Vorbereitungsarbeiten an der Maske benötigen die Restaurator*innen des MKB einen halben bis einen ganzen Tag. Es liegen noch weitere auf einem Wagen bereit. Sie alle werden ab 26. April in der Ausstellung «Zwölftausend Dinge» zu bestaunen sein.
Über 140 Jahre alt
Dass draussen gerade tausende anderer Masken – pardon Larven – durch die Stadt ziehen, ist Zufall. Die Masken im Restaurierungsatelier stammen allerdings nicht von der Basler Fasnacht. Sie kommen aus dem Lötschental und sind Teil von Tschäggättä, Fasnachtsgestalten, die in den Tagen vor Aschermittwoch ihr Unwesen treiben.
Gekauft, geschenkt und gesammelt wurden sie zwischen 1905 und 1926. Mindestens zwei sind aber älter, datieren auf ca. 1880 zurück.
Spannende Entdeckungen
Sie kamen ins Museum, um zu zeigen, wie wild und archaisch die Kultur in Europa damals war. Man(n) wollte das Ursprüngliche bewahren. Das heute im Wallis jedoch noch gepflegt wird ...
Aber Brauch und Masken haben sich in der Zwischenzeit weiterentwickelt ... So ist es doch spannend, «ursprüngliche» Modelle auszustellen. Könnten Farbreste von Albert Nyfeler stammen? Es ist bekannt, dass der im Lötschental tätige Kunstmaler einst Tschäggättä-Masken mit seiner Farbpalette bemalt hat. Für die MKB-Restaurator*innen ist das eine höchst interessante Entdeckung.
Während Gerber mit der Reinigung beschäftigt ist, kümmert sich Solveig Hoffmann um die Halterungen für die Präsentation in der Ausstellung. Sie bespricht mit ihren Kolleg*innen, wo die stabilsten Stellen der Masken sind, wo sie gestützt werden könnten und wo Druck hin darf.
Zwei Faktoren verkomplizieren die Arbeit: Die Masken sind sehr schwer und die Verbindung zwischen Holz und Haaren respektive Fellen dürfe nicht unter einer Halterung leiden, erklärt die Fachfrau. Zudem ist das Leder, an dem die Haare befestigt sind und das den Hinterteil einer Maske bildet, im Lauf der Jahre steif und brüchig geworden.
Hoffmann hat bei der einen Maske bereits entschieden, dass der beste Ort für die Halterung das Kinn ist. Sie zeigt, was sie aus Eisen hergestellt hat, mit Hilfe von Metallsägen, Bohrern und der von ihr hochgelobten Biegemaschine.
Die Halterung ist komplex. Die einzelnen Teilchen hat Hoffmann mit beschrifteten gelben Etiketten versehen, damit sie beim Aufbau in der Ausstellung genau weiss, was wohin kommt. Noch lässt sie überall etwas Spatzung. Erst in der Ausstellung, wenn die Halterungsteile entsprechend gepolstert sind, wird die Halterung definitiv an der Maske «festgezurrt» – natürlich ganz vorsichtig.