Wem gehört Kultur?
Wo wird am besten über «Kulturelle Aneignung» diskutiert? Im Museum der Kulturen Basel, natürlich.
Eigentlich wäre das Thema «Kulturelle Aneignung» äusserst spannend, weil es viel über unsere Kultur(en) aussagt und die Welt(geschichte) umspannt. Man muss aber auch viel Hintergrundwissen mitbringen, um darüber diskutieren zu können, denn das Spektrum ist riesig.
So leitete Ethnologin und Radiofrau Maya Brändli das Gespräch über «Kulturelle Aneignung» im MKB ein, zu dem die Ambassador*innen des Hauses eingeladen waren. Auf dem Podium sassen MKB-Direktorin Anna Schmid, Soziologieprofessor Elísio Macamo, Rechtsprofessor Felix Uhlmann und Musiker Marc Sway.
Warum so hohe Wellen?
Tatsächlich zeigte der Abend, wie schwer fassbar das Thema ist. Und die Fachleute auf dem Podium konnten sich nicht erklären, wieso es gerade jetzt aufgekommen ist und so hohe Wellen wirft.
Aber es gelang ihnen, die Problematik anhand von Beispielen aus ihrer beruflichen Praxis deutlich zu machen. Strafrechtlich sei der Begriff Aneignung normativ gefärbt, meinte Uhlmann. Er ziele auf Eigentum ab. Doch wer sei Eigentümer von Kultur? Von Wissen? «Was ist mit hybriden Kulturen? Und wem gehört zum Beispiel die Fasnacht?»
Das MKB besitze viele Objekte, die kulturell angeeignet worden seien, sagte Schmid. So befänden sich Tjurungas, heilige Hölzer aus Australien, in der Sammlung, die nur wenigen initiierten Männern vorbehalten sind. Für Schmid ist die «Kulturelle Aneignung» Arbeitsalltag, spätestens seit den 1980er-Jahren.
Sway meinte, in der Musik bediene man sich schon lange schamlos. Es gehe aber auch anders: Sein Vater zum Beispiel, ein Schweizer Rockmusiker, habe die Rhythmen Brasiliens – dem Ursprungsland seiner Mutter – sehr respektvoll aufgenommen. Er erzählte, dass nach dem Konzertabbruch einer Berner Band zwar grosse Betroffenheit in der Branche geherrscht habe, doch die Diskussion sei bald wieder versandet.
Wir sind alle Opfer
Wenn irgendwo debattiert werden müsse, dann an der Uni, erklärte Macamo. Doch das sei schwierig geworden, manchmal würden sogar Diskussionen oder auch gewisse Lektüren verweigert. Macamo versteht die Empörung der jungen Menschen aus Afrika. Sie würden sehen, was sich andere alles leisten können und fühlten sich in jeder Beziehung benachteiligt. Und sie würden halt nur gehört, wenn sie zornig seien.
Er meinte: «Wir sind alle Opfer. Ich kann nichts dafür, dass ich Afrikaner bin. Sie können nichts dafür, dass Europa vom Kolonialismus profitierte.»
Wenn wir alle Opfer seien, habe das etwas Versöhnliches, kommentierte Sway. Doch schnell war sich das Podium einig, dass dies kein Lösungsansatz ist. Denn wo Opfer sind, sind immer auch Täter.
Den Dialog suchen
Uhlmann sagte, ein gemeinschaftliches Verständnis der Beziehungen könne zu einem guten Dialog führen. Es dürfe nicht der europäische Massstab für Kultur auf andere Kulturen angewendet werden, warnte Macamo. Schmid betonte, es müssten der Dialog mit Menschen der Herkunftsgemeinschaften gesucht und erst nach vielen weiteren Erfahrungen Richtlinien definiert werden. Mit guten Argumente käme man auch gegen die Empörung an.
Wissen vermitteln, sich mit der «Kulturellen Aneignung» auseinandersetzen, sich auf Augenhöhe begegnen und Respekt für die anderen und deren Kultur zeigen – damit müsse begonnen werden, kam das Podium zum Schluss.
Sway schuf dann noch ein schönes Bild: «Die Kultur ist ein fliessendes Gewässer.» Als Zuhörerin sah man das vor sich: Aus einer Quelle entspringt ein munteres Bächlein. Dank Zuflüssen aus allen möglichen Ländern wird aus dem Bach ein Fluss, später ein Strom. Dieser ergiesst sich ins Meer. In den Ozeanen vermischt sich alles, wird eins. Das ist die Zukunft.