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Going Home?

Im Verbundprojekt «Going Home? Menschliche Überreste im Naturhistorischen Museum Basel (NMB) und Museum der Kulturen Basel (MKB)», wird erforscht, wie und weshalb aussereuropäische menschliche Überreste nach Basel gelangten und nach einem adäquaten Umgang mit ihnen gesucht. Das einjährige Projekt wird durch das Bundesamt für Kultur mitfinanziert und ist diesen Monat gestartet.

1905 verkündete Fritz Sarasin, Vorsteher der damaligen ethnologischen Sammlung, die Gründung des «Anthropologischen Kabinetts»: «Zum ersten Mal erscheint in unserem Jahresbericht die Sammlung von menschlichen Schädeln und Skeletten, welche wir im Anschluss an die Sammlung für Völkerkunde anzulegen begonnen haben. Diese Sammlung ist zwar noch recht klein, und wir würden sie auch noch kaum erwähnt haben, wenn sie nicht dieses Jahr einige wichtige Eingänge zu verzeichnen gehabt hätte.»

Unter der Leitung von Sarasin wuchs die Anthropologische Abteilung rasch. Eingeliefert wurden menschliche Überreste aus der Region Basel, aus Europa wie auch aussereuropäischen Gegenden.

Die Sammelexpeditionen in aussereuropäischen Regionen fanden fast ausschliesslich in einem kolonialen Kontext statt, wobei die Sammelnden sich auf die Hilfe der kolonialen Regierung und Missionsstationen verlassen konnten.

Uns niemand bei der Arbeit störte

Die Forscher*innen stiessen beim Versuch, sich menschliche Überreste anzueignen, immer wieder auf Widerstände der Gemeinschaften. Diesem Unwillen wurde bisweilen mit Diebstahl, Manipulation, Erpressung und Gewalt begegnet, wie Fritz und Paul Sarasin schon 1893 über ihr Reise in Sri Lanka schrieben: «Nur bei den tamilisierten Küsten-Weddas stiessen wir mit unserem Begehr zuweilen auf Schwierigkeiten, so dass gelegentlich ein Einzelner durch besondere Geschenke dazu bewogen werden musste, hinter dem Rücken der Anderen die Gräber uns zu zeigen. Es wurden dann zu diesem Zwecke die heissesten Mittagsstunden gewählt, während denen sonst Alles schlief und uns Niemand an der Arbeit störte.»

In Basel angelangt wurden die menschlichen Überreste als Museumsobjekte inventarisiert. Untersuchungen und Vermessungen der angelegten Sammlung, meist Schädel, sollten Fragen zu Wanderbewegungen und Entwicklungsgeschichte des Menschen beantworten. Eine Entwicklungsgeschichte, an deren Spitze der «moderne» europäische Mann gesehen wurde. Die Schlussfolgerungen wurden publiziert und die menschlichen Überreste im Museum ausgestellt.

Das Foto zeigt eine Karteikarte, auf der links oben eine Signatur steht, darunter mit Bleistift weitere Zahlen stehen, rechts oben steht mit Schreibmaschine geschrieben Neue Hebriden und mit schwarzer Tinte ein Name, darunter mit Schreibmaschine Esspatel und darunter ist eine Zeichnung eines Knochens. Rechts steht: Geschenksammlung Felix Speiser 1912.

Karteikarte: Einige menschliche Überreste verblieben im MKB. Wie die Aneignung von menschlichen Überresten im Museum repräsentiert werden soll, ist Teil der Suche nach einem respektvollen Umgang

Das MKB gab die Anthropologische Sammlung Anfang der 1970er-Jahre an das NMB ab, da die physische Anthropologie den Naturwissenschaften zugeschrieben wurde und somit im Naturhistorischen Museum besser aufgehoben sei als im MKB. Zum Zeitpunkt der Übergabe umfasste die Sammlung über 7000 Individuen, davon knapp 1600 aus unterschiedlichen Gebieten Afrikas, Amerikas, Asiens und Ozeaniens.

Dialoge führen

Trotz dieses Transfers blieben menschliche Überreste im MKB. Ungefähr 600 galten wegen der Modifikationen an ihnen als Teil der materiellen Kultur und wurden deswegen nicht der Anthropologischen Abteilung zugeordnet.

Bei den menschlichen Überresten im NMB und MKB handelt es sich nach den ethischen Richtlinien des International Council of Museums (ICOM) um «kulturell sensible Gegenstände und Materialien». Diese bedürfen eines professionellen Umgangs in Absprache mit den Interessen und Glaubensgrundsätzen der Gemeinschaften, denen die menschlichen Überreste entstammen.

Ziel des Verbundprojekts des MKB und NMB ist es, Voraussetzungen zu schaffen, um diese Dialoge mit den Gemeinschaften führen zu können. Das bedeutet Forschung und Analysen im MKB und NMB durchzuführen, die eine Zuordnung der menschlichen Überreste zu Regionen, Dörfern und Gemeinschaften ermöglichen. Im besten Falle werden erste Kontakte geknüpft, so dass die menschlichen Überreste heimkehren können.