Übersicht

Auf den Hund gekommen

In der Ausstellung «tierisch! Keine Kultur ohne Tiere» ist ein Foto des Pudelclubs Basel zu sehen: lauter gepflegte und wohlerzogene Hunde, Abbilder der Bravheit. Pariahunde sind ihre Gegenstücke. Sie sind in vielen Regionen ausserhalb Europas anzutreffen und zeugen von einem ganz anderen Verhältnis zwischen Mensch und Hund.

In einem braungetäferten Raum mit weisser Decke sitzen und stehen sieben Leute, zwei Männer, fünf Frauen, sowie 25 unterschiedlichste Pudel.

Pudelclub ©Ursula Sprecher & Andi Cortellini

Brandmager kommt mir auf der Dorfstrasse ein Hund entgegen, die Rippen kantig, die Augen matt. Ein Fünkchen Hoffnung meine ich doch, darin zu erkennen: «Bist du jemand, der mir helfen kann?» «Ja, das bin ich!», ruft eine Stimme in mir.

Ich habe schon einmal einen Hund gerettet, indem ich ihn aus einem spanischen Hundeheim adoptiert habe und ihm nun vergleichsweise ein Luxusleben ermögliche. Hier aber, in einem Winkel von Candi Dasa im Südosten von Bali, ist Direkthilfe gefragt.

Abgemagerter Hund steht auf grauem Steinboden vor einer grauen Mauer und schaut mit aufgestellten Ohren in die Kamera.

Hoffnungsvoller Blick?

Sofort mache mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Ich spekuliere auf weggeworfene Opfergaben, die hier immer wieder herumliegen – wenn die Essenz der Opferspeisen nach einer Weile zu den verehrten oder gefürchteten Geistwesen aufgestiegen ist, landen Reis, Kekse etc. oft im Strassengraben. Schon zwei Ecken weiter werde ich fündig: eine frische Reisportion, ohne Essenz wohl, aber für einen hungrigen Hund sicher gut genug. Der Hund schnuppert, schafft aber kaum mehr als zwei Bissen.

Also nächste Stufe einer Hunderettung: die Besitzer finden. Ein Junge kommt aus dem am nächsten liegenden Haus, lacht sich kaputt über meine Fütterungsversuche und holt seine Mutter. Sie ist die Besitzerin.

Huhn mit Reis

Der Hund heisse Bernard und sei schon alt. Meine innere Stimme erwidert sofort, dass man ihm ja wohl doch noch ein paar schöne Tage bereiten könne. Ich frage die Frau, ob sie einverstanden wäre, wenn eine Tierschutzorganisation einmal nach Bernard schaue? Sie willigt ein und ich schicke den Standort an BAWA, eine Organisation, die ich schon im Vorfeld meiner Bali-Ferien recherchiert hatte. Ich bekomme die Zusage, dass sich am nächsten Tag ein Mitarbeiter aus der Region kümmern werde, und den Auftrag, Bernard unterdessen ungewürztes Huhn mit wenig Reis zu geben.

Das Buffet im Hotel erweist sich als brauchbar: Unter den Salatbeilagen gibt es auch Hühnerstückchen, die ich in eine Schale fülle und ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Speisesaal trage. Bernard frisst! Als ich ihm am nächsten Morgen zum dritten Mal eine Portion bringe, wartet er schon auf mich.

Frei, aber ...

Bernard, das realisiere ich beim Nachforschen, führt das Leben eines sogenannten Pariahundes – mit allen Vor- und Nachteilen. Pariahunde leben bei Menschen, aber nicht unbedingt mit ihnen zusammen. Vielleicht werden sie ein bisschen gefüttert und leisten ein bisschen Wachdienste, aber gepflegt werden sie nicht und ein Tierarzt kann sich kaum jemand leisten.

Überzählige Hund werden vergiftet, ertränkt, erschlagen oder dann verkauft, geschlachtet und gegessen. Andererseits geniessen sie viel Freiheit: Auf meiner Reise habe ich immer wieder Hundegrüppchen beobachtet, die hochvergnügt – so wirkten sie jedenfalls – herumstrolchten, am Strand spielten oder faul in der Sonne lagen. Ein Leben, in jeder Beziehung meilenweit entfernt von unseren gehätschelten und an der kurzen Leine gehaltenen Rasse-Hunden.

Es bleiben Fragen

Am nächsten Tag besteige ich den Vulkan Batur, den zweithöchsten Berg von Bali, zusammen mit Hunderten anderen Tourist*innen und einigen wanderfreudigen Pariahunden. Da erreicht mich eine Nachricht von BAWA: Bernard bekommt eine Entwurmungskur und Vitamine, seine Besitzerin die nötigen Informationen über den Umgang mit einem alten Hund.

Rotbrauner Hund auf Steinboden, der aus einer orangen Schüssel etwas Helles isst, während ein Mann in Jeans und grauem T-Shirt neben ihm kauert und ihm zusieht.

Hilfe organisiert

EIn paar Fragen bleiben: Hätte ich besser einem jungen Hund geholfen? Oder noch besser einem bedürftigen Menschen? Ist es berechtigt, meine Kriterien der Hundehaltung nach Bali mitzubringen und dort durchzusetzen mithilfe einer westlich orientierten Tierschutz-Organisation?

Ich weiss es nicht. Ein Paar matte Augen mit Hoffnungsschimmer würden mich wahrscheinlich wieder dazu bringen.