«An liebe Menschen denken»
Am 1. und 2. November wird in vielen Teilen Mexikos der Dia de los muertos gefeiert. Aber auch in der Schweiz gedenkt man fröhlich der Verstorbenen.
Esdra Córdova ist in Cancún, Mexiko, aufgewachsen. Sie ist Schweizer-Mexikanische Doppelbürgerin und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern seit 14 Jahren in Basel. Amerika-Kurator Alexander Brust hat sie zum Dia de los muertos befragt.
Alexander Brust: Liebe Esdra, worum geht es bei den beiden Feiertagen?
Esdra Córdova: Der Tag der Toten hat eine lange Tradition in Mexiko. Die Feiertage sind eine Mischung aus vorspanischen und indigenen Glaubensvorstellungen mit spanischen und katholischen Bräuchen. Die Seelen verstorbener Angehöriger kommen an den Tagen zu Besuch. Es ist ein wunderschönes Fest bei dem es darum geht, an die lieben Menschen zu denken, die uns bereits verlassen haben.
Dabei kommen Erinnerungen an schöne gemeinsame Erlebnisse auf. Wir erinnern uns, was die Person gemocht hat, welches ihr Lieblingsessen war und wir vergegenwärtigen uns, welcher Mensch die Person war. Es geht vor allem darum, die uns nahestehenden Personen nicht zu vergessen.
Sie kommen von der Halbinsel Yucatán. Wie wird der Tag der Toten dort gefeiert?
Der Tag der Toten wird nicht überall in Mexiko gleich begangen. Jede Region hat eigene Besonderheiten. Ausserdem hat die Art, wie der Tag der Toten vorbereitet wird, viel mit der Geschichte und der Einstellung der jeweiligen Familien zu tun.
Meine Familie etwa kommt zum Teil aus dem Bundesstaat Tabasco. In Cancún war bei unseren Feiern oft nur die Familie anwesend. Ich erinnere mich, dass bei meiner Grossmutter in Tabasco neben der Familie oft auch Freunde und Freundinnen und Nachbarinnen und Nachbarn da waren. Die Vorbereitungen bei meiner Grossmutter fanden auch schon viel früher vor den eigentlichen Feiertagen statt, oft bereits mit einem Monat Vorlauf. Dazu gehört zum Beispiel, rechtzeitig die Gräber zu reinigen und zu schmücken, aber auch im Vorfeld des Feiertags bereits zu beten.
Grossmutter hatte auch darauf geachtet, dass etwa Wäsche nicht über Nacht aufgehängt blieb und so ein Hindernis für die Seelen der Verstorbenen darstellen könnte, die nach Hause kommen wollen. Musik sollte auch leise gespielt werden, um die Seelen nicht abzuschrecken. Mein Grossmutter hat auch grossen Wert auf Sauberkeit gelegt, um die Verstorbenen empfangen zu können.
Sie leben seit vielen Jahre in der Schweiz. Wie begehen Sie den Tag der Toten hier?
Der Tag der Toten ist kein trauriger Anlass. Im Gegenteil ich verspüre grosse Freude und Erleichterung. Ich versuche, die Tradition auch hier in der Schweiz weiterzuführen. Mir ist wichtig, dass meine Kinder alles kennenlernen. Wir errichten jedes Jahr einen kleinen Altar bei uns Zuhause und alle helfen beim Dekorieren.
Mir macht das Zubereiten der Speisen Freude, die wir auf dem Altar darbieten. Wir stellen Wasser, Salz, Copal und Kerzen auf den Altar und essen zusammen mit der Familie das Totenbrot, pan de muertos. Wichtig sind auch Süssigkeiten, wie zum Beispiel Totenköpfe, calaveras, aus Zucker. Sie sollen nicht nur die Seelen der verstorbenen Kinder unserer Familie erfreuen, sondern auch heimatlose Seelen.
Allerdings bekomme ich in der Schweiz nicht alles, was es für einen Altar oder als Zutaten für Speisen braucht. Dazu gehören etwa frische Bananenblätter zum Auslegen auf dem Altar. Auch bei den Blumen improvisieren wir. In Yucatán verwenden wir andere Blumen als die leuchtend gelbe Cempasuchil, die in Zentralmexiko hauptsächlich zum Schmücken der Altäre verwendet wird.
Utensilien haben wir nach und nach aus Mexiko mit nach Basel gebracht. Unsere Art, den Tag der Toten hier zu feiern, ist eine Mischung zwischen den unterschiedlichen Formen, die ich in Mexiko kennengelernt habe und an die Möglichkeiten in der Schweiz anpasse. Ich würde aber gerne einen grossen Altar im Yucatán-Stil errichten.