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Briefe des Himmels

Beat Hosbach von «La vie des formes» hat exklusiv für unseren Shop Kunstkarten mit Schneeflockenmotiven kreiert. Wir wollten von ihm mehr über sein Handwerk wissen.

Museum der Kulturen Basel: Herr Hosbach, Sie erstellen ganz spezielle grafische Kunstkarten. Die Motive basieren auf Katagami. Was sind Katagami?
Beat Hosbach: Katagami sind alte japanische Schnittschablonen aus Papier. Sie wurden für den Textildruck, insbesondere auch für Seiden- oder Baumwollkimonos eingesetzt. Der Begriff Katagami setzt sich zusammen aus Kata, das bedeutet Muster/Form, und Kami, das für Papier steht.
Der Ursprung der Katagami-Produktion für den Textildruck liegt in der ehemaligen Provinz Ise, der heutigen Präfektur Mie. In einem Dokument von 1768 wurde der Begriff Katagami erstmals erwähnt. Es gilt somit als gesichert, dass in der Edo Zeit die Tradition der Ise-Katagami-Herstellung begann.

Zwei Karten in Postkartengrösse stehen nebeneinander, eine blau-weiss, eine grau-weiss, beide zeigen verschiedene Schneeflockenmotive

Poesie der Schneeflocken

Was hat Sie dazu bewogen, Katagami für Karten einzusetzen?
Auf die Katagami bin ich vor einiger Zeit durch meine grafischen Arbeiten gestossen. Die reiche Formensprache und die filigranen Muster zeugen von grosser japanischer Handwerkskunst und inspirieren meine künstlerischen Tätigkeiten. Ein wichtiges Ziel ist für mich, diesem alten, faszinierenden Schatz der japanischen Handwerkskunst neue Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Motive der Karten basieren auf Katagami, die aus einer privaten Sammlung stammen. Für den Kartendruck sind Ausschnitte ausgewählt und neu eingefärbt worden.

Jahreszeiten sind von grosser Bedeutung

Was für Motive sind charakteristisch für Katagami?
Die Motive haben sehr oft einen symbolischen Charakter. Sie zelebrieren gerne traditionelle, festliche Aktivitäten und verweisen auch auf den gesellschaftlichen Status. Alter und Zivilstand der Person, welche den Kimono trägt, spielen ebenfalls eine Rolle.
Natürlich sind die Jahreszeiten von grosser Bedeutung, wie Sakura (Frühling) die Zeit der Kirschblüte. Es ist der Anfang des Frühlings – das bedeutet Schönheit, aber auch Vergänglichkeit. Die vielen feinen Blütenblätter lassen an sprühendes Licht denken. Die Chysantheme reicht in den Herbst und die Winterzeit. Sie geniesst sehr grosse Verehrung und Bewunderung. Früher wurde sie ausschliesslich als Emblem für das kaiserliche Haus verwendet und ist die japanische Nationalblume. Herbstchrysanthemen gelten in Japan als Symbol der Unsterblichkeit und Vollkommenheit, denn sie blühen, wenn andere Blumen schon verwelkt sind.

25 Stempel liegen auf schwarzem Untergrund, die Stempel sind grau und zeigen verschiedene Schneeflockenmotive

Stempelset mit vier Motiven

Was für Motive eignen sich besonders für Karten?
Kartenmotive, die einen Bezug haben zu den Jahreszeiten sind Motive, die uns alle ansprechen. Dazu gehören natürlich die Schneeflocken. Aber es gibt auch geometrisch aufgebaute Muster sowie starke Abstraktionen von Figuren und Elementen. Möglich sind zudem Kombinationen von strengen geometrischen Grundmustern mit fröhlichen, farbenfrohen Motiven.

Wie kamen Sie darauf, für uns Schneeflockenmotive herzustellen?
Ein glücklicher Zufall hat mitgewirkt: Bei einem Gespräch Ende September mit der Shopverantwortlichen Arminda da Costa im MKB streifte unsere Diskussion die bevorstehende Ausstellung «Schnee». Wir – Silvia Neeracher und ich – hatten am Vorabend des Treffens die ersten Motive von Schneeflocken in Form von kleinen Stempeln fertig reproduziert. So ergab sich auf magische Weise eine Übereinstimmung – ein kleines Projekt entstand wie von selbst. Ein Stempelset mit Motiven von vier Schneeflocken sowie zwei Kunstkarten im Postkartenformat zum Thema «Poesie der Schneeflocken» erblickten die Welt.

Blau-weisse Karte mit Schneeflockenmotiven stehend, davor liegend silbrig-weisse Karte mit Schneeflockenmotiven, darauf stehen und liegen drei Stempel mit Schneeflockenmotiven und ein weisses Kärtchen, auf dem die Stempel ausprobiert worden sind.

Selber ausprobieren nach poetischem Vorbild

Wie gingen Sie dabei vor?
Aus dem reichen japanischen Formenschatz habe ich Motive von Schneeflocken ausgewählt. Bemerkenswert ist, dass die Symmetrie nicht absolut ist, sondern Unschärfe beibehält. Dies erzeugt einen Zauber in der Struktur – entsprechend habe ich darauf geachtet, die Formen so auf die Materialien respektive Medien zu übertragen. Im vorliegenden Falle auf Gummistempel, die auf Acrylglas in Würfelform befestigt sind, wie auch in gedruckter Form als Postkarte – einmal in blauer und silbriger Ausführung, um eine winterliche Stimmung zu zelebrieren.

Ukischiro Nakaya, ein japanischer Physiker, erforschte um 1936 die Schneekristalle und hinterliess folgende Liebeserklärung: «Schneeflocken könnte man ‹Briefe des Himmels nennen›».