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Einfach Spitze!

Frauen aller Generationen, die erstmals Löhne erhalten, ein Velo für die Tochter, stolze bis neidische Ehemänner: OYA, handgemachte Ketten aus Zierspitzen, verändern die Leben anatolischer Frauen. Wir haben mit der Gründerin des Projektes gesprochen.

Die filigranen Ketten sehen nicht selten aus wie Blumen. In diesem Bild sehen sie aus wie Sonnenblumen in voller Pracht und wurden über einen Strauss ebendieser Sonnenblumen gelegt.

OYA, hier als Häkelkette im Blumen-Look © A. Mercan

«Die Arbeit am Projekt OYA gäbe eigentlich einen spannenden Dokumentarfilm», meint die Projektgründerin Andrea Mercan zu Beginn des Gesprächs. Weshalb wird klar, wenn sie leidenschaftlich von ihrem Herzensprojekt spricht.

Die Geschichte von OYA beginnt wie so manche Herzenssache in den Sommerferien. Andrea Mercan und ihre Familie verbringen seit über 25 Jahren einen Teil ihres Urlaubs in der Millionenstadt Gaziantep in der Türkei, der Heimatstadt ihres Mannes. Sie war schon immer fasziniert von den Handarbeiten, besonders von den genähten Spitzen, die die Kopftücher zieren. Diese Spitzen ergeben, vom Tuch losgelöst, eine filigrane Kette.

Spontane erste Bestellung

«Vor drei Jahren wurde OYA ein richtiges Projekt», so Mercan. Dann nämlich sass sie mit der Familie ihres Mannes und den Nachbarn beim Tee. Auch dabei war Dilek, 30, die Tochter der Nachbarsfamilie, die häkelte seit sie zehn war. «Auch an diesem Abend hat sie gehäkelt, und mir dabei ihre Sorgen erzählt. Da kam mir die Idee für das Projekt und ich bestellte bei ihr spontan zehn Ketten», erzählt Mercan. Als sich die Ferien dem Ende näherten erhielt Mercan die zehn Ketten und brachte diese mit in die Schweiz.

Im Museumsshop hängen die bunten Ketten an einer Metallstange.

Die OYA im Museumsshop

Wieder in der Schweiz angekommen, zeigte sie diese filigranen Schmuckstücke ihren Freundinnen. Die Spitzen seien wie eine Sprache, so Mercan. «Sie erzählen von den anatolischen Frauen. Deren Geschichte berührt, in einer Zeit, in der die Türkei nur negative Schlagzeilen macht.»

Kleine und grosse Wünsche

Das Interesse an den Ketten ist gross, sie verkaufen sich weit über den Freundeskreis hinaus gut – auch in unserem Museumsshop. Das hat Auswirkungen: Mittlerweile ist die Häklerinnengruppe auf acht Frauen aller Generationen angewachsen. Diese erhalten auch Lohn, was für stolze bis neidische Ehegatten sorgt.

Ein Mädchen fährt vor einem Haus auf ihrem Fahrrad. Das Fahrrad ist rot.

Ein erfüllter Wunsch in Gaziantep © A. Mercan

Mit dem Geld würden in Zeiten der Wirtschaftskrise in der Türkei auch kleinere oder grössere Wünsche erfüllt. Als Beispiele nennt Mercan ein Fahrrad für die Tochter einer Häklerin, eine Operation für die Grossmutter oder einen Traktor.

Durch OYA wird auch kulturelles Erbe gefördert. «Die älteren Häklerinnen der Gruppe sind Analphabetinnen und verarbeiten ihre ganze Lebensfreude, ihre Gefühle und Fantasien in die Handarbeiten», erklärt Mercan. «Sie geben den Jüngeren dieses Erbe weiter, diese wiederum kommunizieren mittlerweile über WhatsApp mit mir.»