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Zugang zu Mensch und Kultur

2019 findet das UNESCO-Jahr der indigenen Sprachen statt. Als indigene Sprachen bezeichnet werden rund 4000 der weltweit 7000 gesprochenen Sprachen. Die meisten gelten als bedroht, alle zwei Wochen verklingt gemäss UNESCO eine davon. Wir haben mit Alexander Brust, Leiter Amerika und Kurator im Museum, über seinen Bezug zu indigenen Sprachen gesprochen.

Museum der Kulturen Basel: Weshalb gibt es ein Internationales Jahr der indigenen Sprachen?

Alexander Brust: Das Jahr der indigenen Sprachen, welches in diesem Jahr begangen wird, erinnert daran, wie sehr sich Kultur in unserer Welt wandelt. Vor allem indigene Sprachen sind bedroht, darunter insbesondere solche, die nur an einem Ort von wenigen Menschen gesprochen werden und die sozialem und politischem Druck ausgesetzt sind.

Auf einer etwas vergilbten Karte zu sehen sind Aufzeichnungen.

Diese Aufzeichnung aus Puebla, Mexiko diente der Verständigung zwischen der spanischen Krone und indigenen Würdenträgern

In vielen Regionen Lateinamerikas war es lange Zeit unter Strafe verboten, dass indigene Kinder ihre Muttersprache in der Schule sprechen durften. In den USA und Kanada wurden Kinder zwangsadoptiert oder in Umerziehungsinternate gesteckt. Eltern haben nur noch in den Kolonialsprachen mit ihren Kinder gesprochen, um sie nicht als Indigene und damit Bürger zweiter Klasse zu stigmatisieren.

Seit den Bürgerrechts- und indigenen Bewegungen Ende der 1960er- oder der 1980er-Jahre hat sich das Bewusstsein geändert. Es gibt heute zahlreiche lokale Revitalisierungsbewegungen. Dabei ist der Zugang zu den Daten früher Forschungen von Ethnologen oder Linguisten wichtig.

MKB: Wie wichtig ist das Thema der indigenen Sprachen für Ethnologinnen und Ethnologen?

AB: Im Museumsalltag stosse ich im Archiv und den Sammlungen immer wieder auf Wortlisten, einheimische Bezeichnungen von Objekten und vereinzelte Dokumente zahlreicher indigener Sprachen, die ich selbst natürlich nicht verstehen kann. Die Begriffe in indigenen Sprachen sind immer ein erster Ansatz, unsere eigenen Klassifikationen und Zuordnungen von Dingen in Frage zu stellen und sie in den Konzepten der Herkunftskulturen aber auch als Teil von konstanten Transformationsprozessen zu verstehen.

Dieser Zugang wird jedoch erst durch die Zusammenarbeit mit Experten möglich. In unseren Sammlungen diskutieren wir dies etwa mit Gastwissenschaftlern oder indigenen Vertretern, die bei uns im Museum Kulturerbe aufarbeiten.

Auf dieser Landkarte aus Brasilien wurde die «bekannte Erde» festgehalten. Eingezeichnet sind beispielsweise Flüsse, Städte und Gebirge

Auf dieser Landkarte aus Brasilien wurde die «bekannte Erde» festgehalten. Eingezeichnet sind beispielsweise Flüsse, Städte und Gebirge

Während des Studiums der Altamerikanistik in Berlin mussten wir drei Pflichtkurse in zwei indigenen Sprachen besuchen. Neben ersten Schritten zum Erwerb einer Sprache ging es vor allem darum, sich anderen Weltsichten und der sprachlichen Umsetzung kultureller Konzepte anzunähern. Sprache ist immer ein zentraler Zugang zu Menschen und ihrer Kultur. Als erste Sprache habe ich so Kurse in Quechua aus Ancash in Peru besucht. Da an der Universität nicht die Sprachen angeboten wurden, die mich interessierten, ging ich für das Studium einer zweiten indigenen Sprache ins Ausland. Zur Vorbereitung besuchte ich eine Summerschool, bei der Ethnologen und Linguisten Methoden des Spracherwerbs und der Dokumentation mit dem Ziel diskutierten, bedrohte Sprachen zu erlernen und zu beschreiben. In Mexiko habe ich dann eine Sprache studiert, die sehr vital ist: Zapotekisch. Die Sprache wird in verschiedenen Varianten von rund 750‘000 Menschen hauptsächlich in Mexiko und von Migranten in den USA gesprochen.

MKB: Welches ist Ihr Lieblingswort in einer indigenen Sprache?

Viele indigene Begriffe – allerdings der grossen Verkehrssprachen – haben ja auch Eingang in die europäischen Sprachen gefunden: darunter Tomate, Kakao und Puma. Puma ist ein Quechuawort. Seit dem Quechuakurs im Studium ist mein absolutes Lieblingswort allerdings: wachwa, die Gans. In der Dill Xhon Variante des Zapotekischen, die ich studiert hatte, war der von mir meist verwendeten Satz: bito gwejnida biin gunao: Ich habe leider nicht verstanden, was Du gesagt hast!