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Vom König höchstpersönlich

Kurator Alexander Brust interviewt Kuratorin Isabella Bozsa zu ihrer Forschungstätigkeit und über die Vorbereitungen für den 1. Internationalen Tag der Provenienzforschung.

Frau Bozsa, Sie beschäftigen sich seit 2015 mit der Geschichte der Sammlung der Basler Mission, die sich heute im Museum befindet. Wie definieren Sie Provenienzforschung?
Unter Provenienzforschung wird allgemein die Erforschung der Herkunft von Objekten verstanden. Die Herkunft umfasst  den Ort der Herstellung, den Erwerbsort, aber auch die Bedingungen, unter denen Objekte erworben wurden.

Warum ist Provenienzforschung so wichtig für Museen?
Erwerbsgeschichten gehören zur Dokumentation eines jeden Objekts, das in die Sammlung kommt. Vor allem bei älteren Beständen ist die Provenienz einiger Objekte unklar oder unvollständig, so dass ein lückenloses Nachvollziehen verschiedener Besitzwechsel nicht immer möglich ist.

Provenienzforschung hat immer mit der Aufarbeitung der Vergangenheit zu tun.

Erhöhte Aufmerksamkeit erhielt die Provenienzforschung im öffentlichen Diskurs rund um NS-Raubgut. Damit sind Sammlungsgegenstände gemeint, die infolge von Enteignungen während der Zeit des Nationalsozialismus in Museumssammlungen kamen. Gegenwärtig bestimmt der koloniale Kontext die öffentliche Debatte, wo Objekte im Zuge von militärischen Interventionen geraubt wurden oder ungleiche Machtverhältnisse deren Erwerb begünstigten. Provenienzforschung hat immer mit der Aufarbeitung der Vergangenheit zu tun.

Wie sind Sie bei Ihrem Forschungsprojekt vorgegangen?
Gemeinsam mit meiner Kollegin Dagmar Konrad haben wir uns verschiedene Herangehensweisen überlegt. Wir studierten die historisch-archivalischen Quellen zur Basler Missionssammlung, die am MKB vorhanden sind.

Weitere Referenzen waren die digitale Datenbank des Museums und die Objekte selbst, die wir im Depot untersuchten. Im Archiv der Basler Mission stellten wir weitere Recherchen an, um mehr über die Hintergründe der Sammlung zu erfahren. Leitend war dabei immer die Frage: Wer hat wann, was, warum, wo und wie gesammelt?

Welches sind für Sie besonders spannende Erkenntnisse?
Besonders spannend finde ich Erwerbsgeschichten, bei denen Motive bestimmter Personen oder Gruppen zum Ausdruck kommen, insbesondere von Vertreterinnen und Vertretern von Herkunftsgemeinschaften, die in den missionarischen Quellen im Allgemeinen unterrepräsentiert sind. Z.B. befinden sich in der Basler Missionssammlung einige Prestigeobjekte aus dem Kameruner Grasland, bei denen ich nachvollziehen konnte, dass sie als diplomatische Geschenke von lokalen Herrschern an Missionsangehörige übergeben wurden.

Diese verzierte Kalebasse ist ein königliches Prestigeobjekt aus Kamerun, ein Geschenk von König Njoya an Missionarin Anna Rein-Wuhrmann

Diese verzierte Kalebasse ist ein königliches Prestigeobjekt aus Kamerun, ein Geschenk von König Njoya an Missionarin Anna Rein-Wuhrmann

Können Sie auch ein Beispiel aus Indien – ihrem zweiten regionalen Fokus – nennen?
In der Indien-Sammlung befinden sich sogenannte «Company Paintings». Das sind pittoreske, indische Malereien in Postkartengrösse, die von Künstlern für den europäischen Markt hergestellt wurden. Sie konnten von Angestellten der British East India Company oder eben Missionsangehörigen als Souvenirs erworben und nach Hause mitgenommen werden.

«Company Painting» von Krishna aus dem Album von Missionar David Berli, aus Indien

Aktuell wird vor allem die Frage nach der Rückgabe von Sammlungen in Medien kontrovers diskutiert. Dies ist jedoch nur ein Aspekt. Welche weiteren Fragen und Konsequenzen ergeben sich für Sie aus Ihrem Forschungsprojekt?
Für mich hat sich die Frage herauskristallisiert: Welche Bedeutung haben die Objekte der Missionssammlung für Vertreterinnen und Vertreter von Herkunftsgemeinschaften heute? Das bisherige Projekt war als historisch-archivalische Forschung angelegt.

Für mich wäre die kollaborative Forschung mit Vertreterinnen und Vertretern von Herkunftsgemeinschaften eine Fortsetzung des Projekts. Das würde ich mir auch allgemein als Zukunft der Provenienzforschung an ethnologischen Museen wünschen.