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Geheimnisvolle Spurensuche

Alle paar Minuten setzt sich der Luftbefeuchter in Bewegung. In den Räumen der Restaurierungs- und Konservierungsabteilung müssen klare klimatische Verhältnisse herrschen, d.h. um die 20° Celsius sowie eine Luftfeuchtigkeit von 50%. Der Lichteinfall wird mit Storen angepasst, je nach Empfindlichkeit der Objekte.

Auf riesigen Tischen liegen säurefreie, grosse Kartons. Abteilungsleiterin Claudia Geissman entfernt das Seidenpapier – und lüftet eines der Geheimnisse für die Ausstellung «Das Geheimnis»: In den Kartons befinden sich die rund 45 Teile eines medizinischen Faltbuches aus Rinde aus Indonesien, von den Batak auf Sumatra. Wie alle Ausstellungsobjekte geht es zuerst in die Konservierung, wo der Zustand aufgenommen wird.

«Objekte haben Alters- und Gebrauchsspuren und die belassen wir, denn sie zeugen von ihrer Geschichte.»

Mit der Kopflupe geht Geissmann auf Spurensuche: «Der zuständige Kurator hat mich bereits über die Funktion des Buches aufgeklärt. Das ist sehr wichtig für mich, so kann ich nachvollziehen, ob es sich um Gebrauchs-, alte Lagerungs- oder Verbrauchsspuren handelt.» Erstere gehören zum Objekt, sind original und werden belassen. Die anderen versucht die Expertin zu beseitigen.

Die Objekte werden aber nie in einen vermeintlichen Originalzustand versetzt. «Das ist nicht ethisch. Objekte haben Alters- und Gebrauchsspuren und die belassen wir, denn sie zeugen von ihrer Geschichte.»

Stabilität geben

Ganz genau schaut sich Geissmann die Nahtstellen des Faltbuches an. Sie studiert jene, die noch intakt sind. Die werden belassen. Eine zerfledderte Stelle wird sie «konsolidieren». Das heisst stabil machen. Nicht alle Platten respektive Seiten wird die Fachfrau aneinanderfügen können. «Wir können keine neuen Löchli in die Rinde machen und sie zusammennähen. Das wäre ein Eingriff in die Originalsubstanz.»

Das Foto zeigt drei Seiten eines Buches aus Rindenbast, das gefaltet werden kann. Darauf sind Zeichen und Zeichnungen in Rot und Schwarz zu sehen.

Ihr Wissen hielten die Ritualexperten der batak in Geheimschrift in solchen Zauberbüchern fest

An einer Stelle gibt es grossflächig Flecken. Wasserränder von einem alten Wasserschaden? Nass reinigen ist nicht möglich, da Holz nicht feucht werden darf. Und eventuell ist auch die Schrift nicht wasserfest.

Das A und O einer Restauratorin sind Materialkenntnisse. Sie arbeitet aber nicht nur mit Augen und Händen, sondern auch oft mit dem Geruchsinn. Die weissen Pünktchen, die auf dem Buch mit blossem Auge sichtbar sind könnten Wachsrückstände sein – von früheren Restaurierungen. Geissmann wird zur Analyse das Skalpell zücken: «Ich schabe eine winzige Menge ab und zünde sie an. Der Geruch von Brennrückständen sagt sehr viel aus.»

Ein Fall für mehrere Monate

Jeder Restaurierungsschritt wurde dokumentiert. Mit seinen 45 Tafeln wäre das Buch ein Paradepatient für ein bis zwei Monate. Doch so viel Zeit hat das fünfköpfige Restaurierungsteam nur selten. Im Falle des Buches wurden folgende Arbeiten ausgeführt: reinigen, entstauben, Wasserflecken retouchieren, ein paar Unterlagen machen, ein paar Stellen kitten und ein paar Löcher füllen.