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Der Puls der Erde

Kolumbianische Indigene dokumentieren Werke ihrer Eltern in der Museumssammlung. Sie möchten das Wissen an die Jugend weitergeben.

Ein langer, beschnitzter Holzbalken wird von Männern im Takt zu Gesängen auf den Boden gestampft und gibt so den Rhythmus vor. Das Video des wichtigsten Festes der Murui aus Kolumbien zeigt einen Tanzbalken in Aktion.

Für den Transport wurde der Balken entzweigesägt

Der Balken im Depot des Museum der Kulturen Basel (MKB) wurde nie Teil in einer Zeremonie gebraucht. Dennoch sind Klanmitglieder extra aus Kolumbien nach Basel gereist, um ihn zu studieren, auszuprobieren – sie geben eine kleine Kostprobe der Feierlichkeiten – und zu dokumentieren.

Filmmaterial sammeln

Als sie den Tanzbalken erblicken, ist dies dennoch ein emotionaler Moment. Denn gehauen und geschnitzt haben ihn Grossvater, Vater und die Onkel von Nelly und Maria Isolina Kuiru Castro, die während einer Woche Filmmaterial sammeln. Mit dabei ist auch Kunsthandwerkerin Dora Kuiru, die sich insbesondere für die Herstellungstechniken und Muster interessiert, etwa des Federschmucks, und Miguel Angel Kuiru Naforo, der das nächste Fest leiten wird.

Nelly Kuiru dokumentiert jedes Detail

Der Balken und ein Kanu gehören zu den letzten von rund 200 Dingen der Murui, die sie sich anschauen. Die Sammlung geht auf Jürg Gasché zurück, der zwischen 1969 und 1974 Objekte ans Museum lieferte. Vieles wurde extra für ihn hergestellt, wie der Balken. Anderes erwarb er. Und fischte sogar Dinge aus dem Müll, wie die Gäste schmunzelnd erzählen.

Erste Erkenntnisse der Besucher*innen werden in das nächste Fest einfliessen, das im Juni stattfindet. Die meisten gewonnenen Informationen aber verarbeiten Nelly und Maria im Dokumentarfilm. «Wir tun dies für die Jugend», betonen sie.

So wird am wichtigsten Fest des Klans gefeiert

Sie haben festgestellt, dass viel traditionelles Wissen verloren gegangen ist. Das Schul- und Gesundheitssystem berücksichtigten nichts davon. Sie möchten so viel wie möglich nun bewahren und an die Nachkommen weitergeben.

In Harmonie mit allen Wesen leben

Deshalb filmt Nelly praktisch ununterbrochen in dieser Woche. Sie spielt wieder einige Minuten des Festfilms ab und sagt, «die Lieder, die wir dort singen, kennen Viele nicht mehr. In der Schule werden sie nicht gesungen.» MKB-Kurator Alexander Brust sagt, dass Gasché rund 100 Lieder und Geschichten aufgenommen hat. Das ist auch ein wertvoller Fundus für den Klan.

Der Kaiman hilft mit, das Böse fernzuhalten

Während der eineinhalb Stunden im Depot an diesem Morgen tut sich immer mehr die Welt der Murui auf. Sie versuchen, in Harmonie mit allen Wesen der Erde zu leben, erklären sie. Und zeigen auf den Kaiman auf dem einen Ende des Tanzbalkens: Würde der Balken verwendet, zeigte dieses Ende zum Hinterausgang. Das Krokodil würde mit seinem Schwanz das Böse vertreiben.

Dora, Miguel und Nelly Kuiru (v.l.), Alexander Brust, Maria Kuiru (ganz rechts) im Depot, wo der Balken aufbewahrt wird

Mehr Einsichten in das Leben der Murui und anderer indigener Kulturen gibt es in der Ausstellung «Schöpfer*innen – Menschen und ihre Werke», die im April 2025 ihre Tore öffnet. Im Zentrum stehen für einmal die Hersteller*innen der Dinge in der Museumssammlung. Allzu oft sind diese unbekannt.